#1.

Wien Neubau, 9:45, Diza auf dem Weg zur Uni.

Das Telefon klingelt, Notfall, M. hat einen Unfall mit ihrem Rad gehabt, kann sich net gescheid bewegen, wirkt etwas neben sich. Und da ich die einzige mit Auto und ausreichend Zeit bin, lass ich das Seminar saußen und fahr mit ihr ins AKH.
Vielleicht sollte ich erwähnen, dass ich Angst vor Krankenhäusern hab. Vor allem so Riesenkrankenhäusern wie es eben dieses ist. Und diese Angst beschränkt sich nicht auf Oh, ich fühl mich so unwohl, überall kranke und traurige Leute, sondern sie geht in diese Richtung:
Oh...Gott........Krankenhaus..........überall.........Ansteckungsmöglichkeiten...
...und......überall.........sterbende.......Menschen...........ich.........fang.....
.....gleich........an............zu...........hyperventilieren..........oje............mir...
.......wird......schwarz...........vor............den...........Augen.....
...........ich................sollte...........mich............lieber..............hinssse..... . . . . .
.

So eine Angst ist das.
Aber ich muss, sagen, ich hab mich gut gehalten. Hab auf Anhieb die Unfallambulanz-Einfahrt gefunden, die arme M. abgeliefert, mich mit meinem Auto auf dem AKH gelände verirrt, zurück auf den Gürtel, dann doch die AKH Tiefgarage gefunden, hab mich dann in dieser verirrt, eingeparkt ohne ein anders Auto zu zerkratzen (YES!), hinauf zum Haupteingang, kurzer Anflug von nervösem Herzflattern, schnell raus eine rauchen, durchatmen, wieder rein, und ohne weiter Zwischenfälle rauf zur Station 6C, wo M. auf ihren Befund wartet. Ich blicke mich um und denke an die Horrorgeschichten, die mir Bekannte über die Unfallambulanz des AKHs Wien erzählt haben - von vielen stark blutenden Menschen (z.B. mit Säge im Kopf oder ähnlichen schaurigen Geschichten - mein Bekanntenkreis scheint zur Übertreibung zu neigen). Alles nicht wahr! Ja okay, ein paar Gipshände ein paar verbandagierte Finger, aber das wars auch schon. M. bekommt ihren Befund, nichts gebrochen, alles gut (abgesehen von den sicher grausigen Schmerzen einer Hüftprellung), wir stehen auf und wollen gehen.
Dann kommt SIE mir entgegen. Riesige Wunde auf der Stirn, das Blut rinnt ihr übers Gesicht, und SIE redet lächelnd mit ihrem Begleiter. Ich verspüre das dringende Bedürfnis laut aufzuschreien und wegzulaufen.

Selbstbeherrschung ist alles.


#2.

Wien Neubau, 13:00, Diza versucht sich als Hausfrau.

Nachdem ich aufgrund der Aufregung auf mein Frühstück vergessen habe, meldet sich mein Magen, und aufgrund des vorabendlichen Rotweintrinkens hab ich das Bedürfnis nach Salz und Flüssigkeit. Suppe wäre perfekt. Aber kein Instant-Ding, davor grausts micht schon. Nur wie? Mit was? Und übehaupt? Kurze telefonische Absprache mit meiner Mutter, rein in den Billa, Suppenfleisch kaufen. Von der Pute. Auch gut.
Zuhause angekommen wird das Fleisch erstmal entpackt und gewaschen, wobei ich mit Gedanken an SIE (siehe oben) feststelle, dass ich mich soeben an einem blutigen Abschnitt eines Putenhalses festhalte. In diesem Moment, keine Ahnung wieso oder warum, flutscht mir das Stück aus der Hand, fliegt in hohen Bogen Richtung Decke und landet in meiner offenen Geschirrspülmaschine, in der sich natürlich sauberes Geschirr befindet.
Rohes Fleisch fliegt durch meine Küche. Ein Zeichen?

Die Suppe hat aber dann wenigstens auch geschmeckt.


#3.

Wien Innenstadt, 14:45, Diza in einer Vorlesung, nichtsahnend. Oder: Scheiß auf die Erfahrung der Realität.

Ich hab mir ja gedacht, dass ich - was Filme - angeht, viel Blut ertrage. Aber erstens kommt es anders und zweitens bla bla bla.
Der Herr Lektor spricht, alles recht interssant, ich kann dem Ganzen sogar folgen, juhei.
Und dann: Jetzt zeige ich den Film LE SANG DES BÊTES, eine 22 Minuten Doku über einen Pariser Schlachthof. Aus den späten 40ern. VegitarierInnen können gerne mit empörten Lauten aus dem Saal stürmen.
Empörte Vegitarierin? Ich? HA! - und denke an die mittagliche Bezwingung des Putenhalses.
Ja, und dann begann der Film. Wie lange ich es ausgehalten habe? 5 Minuten? Vielleicht. Dann bin ich hinaus.

Und mit den Worten Scheiß auf die Wirklichkeit ging sie, in Gedanken bei der armen Pute, in die nächste Bar, um das ganze Blut in Rotwein zu ertränken.